Mehr Strom aus Kohle soll Gasverbrauch senken
Um die gedrosselten russischen Gaslieferungen aufzufangen, sollen für die Stromerzeugung vorübergehend wieder stärker Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Am Ziel der Bundesregierung, für das Erreichen der Klimaziele idealerweise bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen, rüttelt dies aber nicht, wie ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag sagte. Nach Einschätzung der Energiewirtschaft ist es möglich, Strom wieder vermehrt mit Kohle- statt mit Gaskraftwerken zu erzeugen.
Hintergrund der Debatte um eine Reduzierung des Gasverbrauchs ist, dass Russland seine Lieferungen in der vergangenen Woche deutlich verringert hatte. Die Lage sei "angespannt", bekräftigte die Bundesnetzagentur am Montag. Im Moment sei die Gasversorgung aber stabil. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen demnach bei knapp 57,6 Prozent. Wichtig ist, dass die Speicher bis zum Winter möglichst voll sind. Zugleich wird Gas in Deutschland auch für die Stromerzeugung verwendet - im Jahr 2021 trug Gas rund 15 Prozent zur öffentlichen Stromerzeugung bei.
Habeck hatte am Sonntag deshalb angekündigt, dass weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden solle und stattdessen - befristet bis Ende März 2024 - Kohlekraftwerke als Gasersatz-Reserve stärker zum Einsatz kommen müssten. "Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken", erklärte der Minister. Im ZDF sagte er, es gebe "eine angespannte, ernste Lage".
Ein Sprecher Habecks betonte am Montag, dass das Ziel eines Kohleausstiegs bis Ende des Jahrzehnts trotzdem nicht aus dem Blick geraten solle. "Der Kohleausstieg 2030 wackelt überhaupt nicht", sagte er in Berlin. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung anzustreben; "Idealerweise" gelinge das schon bis 2030.
SPD-Chef Lars Klingbeil signalisierte am Montag nach Beratungen der Parteigremien Unterstützung für den Wirtschaftsminister: Dass Kohlekraftwerke wieder stärker zum Einsatz kommen, sei "eine Option - aber eine, auf die wir nicht ideologisch blicken", sagte er. Klingbeil betonte, dass die Bundesregierung aber weiterhin an den Klimazielen sowie den Ausstiegszielen für Kohle und Atom festhalte.
Nach Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist es möglich, Strom wieder vermehrt mit Kohle- statt mit Graskraftwerken zu erzeugen. Braunkohlekraftwerke könnten "in einem überschaubaren Zeitraum" wieder zur Verstromung angefahren werden, sagte Verbandschefin Kerstin Andreae im ARD-"Morgenmagazin". Das ginge auch mit Steinkohlekraftwerken, allerdings müsste dafür genügend Steinkohle zur Verfügung stehen.
Auch der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, sprach sich für eine zeitweise Reaktivierung von Kohlekraftwerken aus, um knappes und teures Erdgas zu sparen. Zugleich erwartet er, dass Strom und Gas infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine noch jahrelang teuer bleiben, wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Den Kohleausstieg in Deutschland auf 2030 vorzuziehen, hält der RWE-Chef für machbar - unter der Bedingung, dass Netze, erneuerbare Energien und so genannte Back-up-Kraftwerke für Phasen mit wenig Wind und Sonne schneller ausgebaut werden.
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte ebenfalls das von Habeck geplante Hochfahren von Kohlekraftwerken zur Gaseinsparung. "Es ist völlig richtig, dass der technisch komplizierte Ausstieg aus dem russischen Gas vorbereitet wird, um möglichen Liefereinschränkungen durch Gazprom etwas entgegenzusetzen", sagte er der "Rheinischen Post". Hüther verwies darauf, dass die Industrie - Chemie, Glas, Papier, Stahl und vor allem Nahrungsmittel - kurzfristig die komplizierten Anpassungen kaum leisten könne.
孫-H.Sūn--THT-士蔑報